Ehe- und Familienrecht
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Entscheidung der Woche

04.03.2020 - Thema: Testierfähigkeit & Testierfreiheit

Keine Beurteilung der Testierunfähigkeit durch Sachverständigen ohne ausreichende Sachkunde

Nur ein Facharzt für Psychiatrie oder Nervenarzt hat die erforderliche Qualifikation zur Beurteilung der Testierfähigkeit, grundsätzlich aber nicht der Hausarzt.

Das Oberlandesgericht München, 14.01.2020, 31 Wx 466/19 hat Folgendes entschieden:

 

Die Frage, ob ein Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierfähig war oder nicht, lässt sich in der Regel nur mit Hilfe eines psychiatrischen Sachverständigen beantworten. Verfügt der vom Nachlassgericht ausgewählte Sachverständige nicht über diese Qualifikation, so kommt eine Erstellung eines Testierunfähigkeitsgutachtens durch ihn nicht in Betracht.

Sachverhalt:

Der verwitwete Erblasser ist im Januar 2017 verstorben. Er errichtete u.a. am 08.10.2004 ein notarielles Testament, in dem er seinen Sohn A, den Beschwerdeführer, als Alleinerben einsetzte. Am 01.10.2007 errichtete er ein weiteres, handschriftliches Testament, in dem er seine drei Kinder A, B und C zu gleichen Teilen als Erben einsetzte. Sowohl der Beschwerdeführer, A, als auch die beiden anderen Geschwister B und C beantragten beim Nachlassgericht jeweils die Erteilung eines Erbscheins, A einen Alleinerbschein, die beiden anderen Kinder B und C  jeweils zu 1/3 neben A. Das Nachlassgericht hat ein Gutachten über die Testierfähigkeit des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung in Auftrag gegeben und als Sachverständigen Prof. xxx (Hochschule xxx) beauftragt. Der Sachverständige kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass sich eine Testierunfähigkeit des Erblassers im Errichtungszeitpunkt nicht feststellen lasse. Das Nachlassgericht kündigte mit Beschluss die Erteilung eines Erbscheins aufgrund des Testaments vom 01.10.2007 zugunsten der drei Kinder zu je 1/3 an. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Sohnes A. Er ist der Ansicht, dass das Nachlassgericht seine Entscheidung nicht auf das Gutachten Prof. xxx habe stützen dürfen, weil dieser nicht hinreichend qualifiziert für die Begutachtung im Hinblick auf die Testierunfähigkeit sei. Er trägt vor, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige Facharzt für Allgemeinmedizin und Sportmedizin sei, nicht aber Psychiater oder Nervenarzt.

Entscheidungsanalyse:

Nach Überzeugung des 31. Zivilsenat des OLG München hat das Nachlassgericht hier für die Klärung der Frage der Testierunfähigkeit auf einen Sachverständigen zurückgegriffen, der nicht über die dafür erforderliche Sachkunde verfügt. Dadurch sei der entscheidungserhebliche Sachverhalt durch das Nachlassgericht nicht hinreichend aufgeklärt worden. Der Senat erläutert, dass nach § 2229 Abs. 4 BGB bei Zweifeln an der Testierfähigkeit die Testierunfähigkeit positiv festgestellt werden muss, bloße Zweifel genügen nicht. Aus Sicht des OLG handelt es sich bei der Frage der Testierfähigkeit zwar um eine juristische Frage, gleichwohl bedürfen die Gerichte zu ihrer Beantwortung sachverständiger Hilfe. Der Senat betont, dass sich die Frage, ob ein Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierfähig war oder nicht, in der Regel nur mit Hilfe eines psychiatrischen Sachverständigen beantworten lässt. Bezogen auf den konkreten Fall stellt der Senat klar, dass der vom Nachlassgericht ausgewählte Sachverständige über diese Qualifikation nicht verfügt, da er sie weder angegeben hat und sie auch nicht Rahmen einer Internetrecherche festgestellt werden konnte. Wegen der fehlenden Qualifikation sei der gerichtlich ausgewählte Sachverständige somit von vornherein nicht geeignet gewesen, den entscheidungserheblichen Sachverhalt (Testierfähigkeit) zu beurteilen. Aus Sicht des Senats stellt die Auswahl des ungeeigneten Sachverständigen hier darüber hinaus einen erheblichen Verfahrensfehler dar. Das OLG hat daher die Entscheidung und das ihr zugrunde liegende Verfahren aufgehoben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Nachlassgericht zurückgegeben.

Praxishinweis:

Das OLG München macht in dieser Entscheidung deutlich, dass aufgrund der mit der Feststellung der Frage der Testierfähigkeit verbundenen besonderen Schwierigkeiten von vornherein nur die Begutachtung durch einen Facharzt für Psychiatrie in Betracht kommt. Durch das Erfordernis des Vorliegens der entsprechenden fachärztlichen Qualifikation wird nach Worten des OLG in abstrakt genereller Weise sichergestellt, dass der Sachverständige nach der ärztlichen Approbation ein mindestens 5-jähriges Weiterbildungscurriculum absolviert und durch das Bestehen der entsprechenden Facharztprüfung seine grundsätzliche Befähigung nachgewiesen hat.
 
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